Beschluss des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes zur Messdatei, Az: LV 1/18
Leitsatz 1: Werden in einem Bußgeldverfahren dem Betroffenen vorhandene Messdaten auf Antrag hin nicht in lesbarer Form herausgegeben, damit er die Plausibilität des Messergebnisses prüfen kann, verletzt das die Grundsätze rechtlichen Gehörs und eines fairen gerichtlichen Verfahrens.
Seit dem Jahre 2016 werden in Saarbrücken stationäre Messanlagen zur Feststellung und Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen eingesetzt. Die eingesetzten Messgeräte und das Verfahren bei der Landeshauptstadt Saarbrücken, der zentralen Bußgeldbehörde und den Gerichten sind nicht kritiklos geblieben.
Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren unter dem Az: LV 1/18 festgestellt, dass ein Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken und Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts, welche in einem Bußgeldverfahren ergangen sind, den betroffenen Verkehrsteilnehmer in seinen Grundrechten auf ein faires Verfahren, rechtliches Gehör und eine willkürfreie Entscheidung verletzen.
Natürlich ist die Verkehrsüberwachung erforderlich und von essenzieller Bedeutung für die Verkehrssicherheit auf den Straßen. Zu unterscheiden ist jedoch stets das „Ob“ und das „Wie“ der Verkehrsüberwachung. Die Kritik des Verfassungsgerichtshofes betrifft ausschließlich das „Wie“, mithin einen konkreten Aspekt des Bußgeldverfahrens.
Bei den in Saarbrücken eingesetzten Messgeräten handelt es sich um Lasermessverfahren. Die Geräte erfassen mittels des eingebauten Lasers die Fahrzeuge in verschiedenen Entfernungen vor der Messanlage und berechnen über eine Weg-Zeit-Berechnung die Geschwindigkeit des erfassten Fahrzeuges.
In dem der Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichtshofes zugrunde liegenden Verfahren begehrte der Verkehrsteilnehmer die Überlassung der von dem Messgerät erstellten digitalen Datei sowie des Passwortes, um die Datei öffnen zu können.
Dies hat den Hintergrund, dass die Gerichte bei dem eingesetzten Messverfahren davon ausgehen, dass das Messergebnis zutreffend ist. Nach der Rechtsprechung obliegt es dem betroffenen Verkehrsteilnehmer, konkrete Umstände vorzutragen, aus welchen sich Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses ergeben.
Der Verfassungsgerichtshof geht zutreffend davon aus, dass es für den Betroffenen bzw. seinen Verteidiger nur möglich ist, dieser Darlegungslast nachzukommen und das Messergebnis in Zweifel zu ziehen, wenn er die vom jeweiligen Messgerät erzeugten digitalen Daten als Grundlage jeder Messung technisch auswerten lässt. Die von den Messgeräten erzeugten Dateien wurden den Betroffenen und den Verteidigern in der Vergangenheit jedoch nicht herausgegeben. Da die Falldatei nicht herausgegeben wurde, ist der betroffene Verkehrsteilnehmer in seinem Recht auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör verletzt worden. Nach Verkündung der Entscheidung hat die Landeshauptstadt Saarbrücken ihre Vorgehensweise geändert und gibt nunmehr die Falldatei an den Verteidiger des betroffenen Verkehrsteilnehmers auf Antrag heraus.
Die Entscheidung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofes ist zu begrüßen. Das Verfahren der hiesigen Behörden und Gerichte wird von Anwälten und Sachverständigen schon lange kritisiert. Leider ist jedoch eine Überprüfung der dem betroffenen Verkehrsteilnehmer vorgeworfenen Geschwindigkeit und das Vortragen konkreter Mängel einer Messung auch trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes und der geänderten Vorgehensweise der Landeshauptstadt Saarbrücken weiterhin nicht möglich. Problematisch hierbei ist, dass in der digitalen Messdatei keine Daten mehr enthalten sind, welche die Überprüfung der errechneten Geschwindigkeit zuließen. Die Daten welche der Berechnung der Geschwindigkeit dienen, welche sich später in einem Bußgeldbescheid wiederfindet, werden von dem Messgerät nicht gespeichert. Aus diesem Grunde sind diese Daten auch in der digitalen Datei nicht enthalten. Meines Erachtens werden die betroffenen Verkehrsteilnehmer weiterhin in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
Die ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes hat keinerlei Einfluss auf bereits rechtskräftig gewordene Bußgeldbescheide oder Urteile.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Christoph Hertwig ist Ihr Ansprechpartner für den Bereich Verkehrsrecht in der Kanzlei Rechtsanwälte Hertwig & Auer.